27.05.2005

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Der Spiegel

Ich kaufte eines Tages einen Spiegel. Es war ein einfacher Spiegel, ohne großartige Verzierungen im Rahmen. Ein einfacher Spiegel in einem einfachen Rahmen. Aber er war groß. Größer als alle Spiegel, die ich bis dato gesehen habe.

Nach reiflicher Überlegung und nachdem schon eine gewisse Zeit vergangen war, hängte ich ihn vor meinem Herzen auf. Der Spiegel hing immer dort. Ich kam nie auf die Idee, ihn woanders aufzuhängen, denn ich fand den Platz sehr passend. Alle paar Tage entstaubte ich ihn und putze das Glas.

Auch wenn ich den Spiegel nicht jeden Tag benutzte, so gab es für mich keinen anderen Spiegel. Immer nur diesen einen. Er reflektierte das, was ich fühlte, was irgendwie dazu führte, dass eine Beziehung zwischen uns entstand.

Mit der Zeit wurde sie intensiver. Inniger. Vertrauter. Und komplizierter, denn der Spiegel ließ sich bereitwillig von anderen benutzen. Irgendwann sah ich nicht mehr mich selbst in diesem Spiegel, sondern viele andere Personen. Ich war nur noch ein Schatten in ihm, welcher ab und an zwar in den Vordergrund rückte, aber sonst eben ein Schatten blieb. Ich bemerkte, dass der Spiegel nicht mehr meine Gefühle reflektierte, sondern die von anderen Menschen. Enttäuscht und verletzt, zerstörte ich den Spiegel und wandte mich von ihm ab.

Später klebte ich die Scherben zusammen, denn es war trotzallem mein Lieblingsspiegel. Er hängt nun wieder an seinem gewohnten Platz. Doch seit jenem Tag zeigt er nicht mehr ein unverfälschtes, reines und klares Bild sondern Narben. In meinem Herzen.

Der Spiegel ist irreparabel beschädigt.

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