24.11.2006

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358 Tage nach 30

Mir fiel eben auf, dass ich schon lange nicht mehr über die wirklich wichtigen Dinge des Lebens geschrieben habe. Ich weiß zwar im Moment nicht, welche das sein könnten, aber sobald sie mir einfallen, werde ich sie an dieser Stelle mitteilen - soll ja niemand dumm sterben müssen. Nichtsdestotrotz brauche ich keinen Grund, um über 358 Tage nach 30 zu schreiben. Ja, liebe Freunde und Feinde, heute in einer Woche ist es soweit: Ich werde erwachsen. Dieses Mal endgültig und unaufhaltsam.

Die wichtige Frage ist nun: Wie geht man mit dieser Erkenntnis eigentlich um? Oder andersrum: Was hat sich in den letzten 358 Tagen verändert? Das ist doch eigentlich supi einfach, denn in dieser Zeit hat sich wirklich etwas getan:

1. Ich stopfe nicht mehr. Seitdem mir diverse Bösewichte einen Strich durch die Rechnung gemacht und meine Sticks abgeschafft haben, bin ich auf Zigarillos (wie dekadent!) umgestiegen. Muss man sich mal reinziehen. Im Büro werde ich selten dämlich angeguckt und mit "Was für ein Kraut rauchst du denn?" bemitleidet. Alles Pappnasen. Die haben doch gar keine Ahnung was Qualität ist! Vor allem haben sie keine Ahnung, wie man gut und günstig rauchen kann. Der Vorteil von Zigarillos liegt auf der Hand: Wenn man vergisst an ihnen zu ziehen, gehen sie aus - ähnlich wie Zigarren. Auch der Preis weiß zu begeistern. Für 17 Stück muss man 1,40 € hinlegen, was in etwa dem Preis von Sticks samt Hülsen nahe kommt. Wer jetzt meint, man müsse Stopftabak rauchen, dem will ich sagen, dass ich dieses Theater satte 4 Tage mitgemacht habe und schier Amok gelaufen bin. Mal abgesehen von der Tatsache, dass der Tabak überall nur nicht in der Hülse war, hat man mit Stopftabak schnell einen neuen Lebensinhalt, weil man für andere Dinge gar keine Zeit mehr hat.

2. Ich arbeite Vollzeit. Jaha, das sind sensationelle Neuigkeiten, ich weiß! Ich hab es selbst nicht geglaubt, weiß aber jetzt, warum ich seit gut drei Monaten am Stock gehe. Geplagt von einer Jenseitsmüdigkeit, die so tief in den Knochen sitzt, dass sie nicht einmal durch mehr Schlaf reduziert werden kann, geistere ich tagtäglich durch die Gegend in der Hoffnung, die Zeit bekämpfen zu können. Um 6.15 Uhr klingelt der Wecker, der schon längst Schrott wäre, wenn es nicht mein Handy wäre, was mich morgens weckt. Ich quäle mich also aus dem Bett, ärgere mich jeden Morgen darüber, dass ich keinen Kran im Schlafzimmer habe, der mich aus dem Bett hievt und auf die Beine stellt, bettele Sohn 20 Minuten an, dass er endlich mal aufsteht, überstehe das erste morgendliche Theater in Form seines Sirenengeheuls, weil er zu müde ist und verlasse wie immer 5 Minuten zu spät das Haus. Manchmal hat sich die Welt richtig mich verschworen, nämlich dann, wenn ich noch kratzen muss, weil es wieder einmal klar und affenkalt zugleich war. Und manchmal versuche ich die Welt zu überlisten, in dem ich denke "nicht mit mir" und in weiser Voraussicht meine Iso-Folie auf die Windschutzscheibe lege, nur damit ich am nächsten Morgen feststelle, dass es dieses Mal nicht gefroren, sondern in Strömen geregnet hat. Um 7.10 sitzen wir endlich im Auto, kurz darauf liefere ich Sohn im Kindergarten ab und heize im Wahnsinnstempo ins Büro, weil ich ja trotz Gleitzeit nicht gleiten kann, auf Grund der beschränkten Öffnungszeiten des Kindergartens. Ein paar Stunden später, nämlich spätestens um 16.25 Uhr heize ich genauso wahnsinnig wieder zurück, weil der Kindergarten nämlich um 17 Uhr zu macht und die Erzieherinnen sehr bissig reagieren, wenn man erst um 17.01 Uhr auftaucht. Zwischendrin versuche ich produktiv zu sein - jemand muss schließlich die Wirtschaft ankurbeln.

Wer nun glaubt, mein Tag würde um 17 Uhr zu Ende sein, dem will ich sagen, dass er sich täuscht. Ab 17 Uhr steppt hier nämlich erst richtig der Bär. Sechsjährige haben kein Verständnis dafür, dass ihre Mama todmüde ist, nein, sie wollen unterhalten werden, quengeln dass alles zu spät ist, machen Unsinn, leiten den nächsten Weltuntergang ein und viele andere lustige Dinge. Dies hält in etwa 3,5 Stunden an, weil Sohn früher nicht ins Bett will, trotz meines O-Tons und der Prophezeihung, dass er am nächsten Morgen müde sein wird. Und wenn er dann endlich mal im Bett ist, schaffe ich es vor lauter Gähnen nicht einmal mehr zu einem aufrechten Gang, sondern krieche bald auf allen Vieren durch die Wohnung, in der Hoffnung meine Müdigkeit doch irgendwie in die Knie zu zwingen zu können (Was ein Wortspiel!). Einen Vorteil hat Vollzeitarbeit: Abends ist alles so, wie man es morgens im Eifer des Gefechts stehen gelassen hat. Das Ganze kann sogar tagelang gehen, was im Übrigen auch die Wäsche auf der Wäscheleine erklärt, welche von Samstag bis Samstag trocknet, bis sie schließlich nur noch an der Wand aufgebaut werden muss, weil sie von selbst steht und somit anziehbereit ist.

3. Männer! Mama sagt ja mir ja mindestens 2x im Jahr, dass ich immer nur Flachzangen an meiner Seite habe, die mir nicht das Wasser reichen können. Sie war und ist der festen Überzeugung, dass man an Orten wie Büro bzw. Arbeitsplatz "gescheite" Männer kennen lernen kann und ich bislang eben nur in den falschen Kreisen war. Ich war gottfroh, dass ich Mama nach 7 Tagen Vollzeit mitteilen konnte, dass ich endlich gescheite Männer kennen gelernt habe und sie babysitten darf, weil mich einer davon bekochen möchte. Irrsinnigerweise reagierte sie gar nicht so erhellt, wie ich mir das erhofft hatte, denn prompt kamen die ersten Zweifel auf: Ob ich mir denn im Klaren wäre, dass Beziehungen am Arbeitsplatz uncool sind (möchte mal wissen, wie sie auf Beziehung gekommen ist?), weil sie eine Menge Ärger bedeuten können und unvorteilhaft vor allem für Frauen sind. Offenbar hält sie nichts von Hochschlafen - davon mal abgesehen war der besagte Kollege nicht einmal ranghöher, insofern hätte sich die ganze Sache eh nicht gelohnt. Aber, never fuck the company kommt ja nicht von ungefähr, also habe ich mich bestens gerüstet und den Satz ein wenig modifiziert in "Think twice before you fuck the company". Wenn sie wüsste, dass ich nicht nur 2x sondern mehrfach nachgedacht habe und jetzt auch noch auf - äh - mit dem Kollegen reite, würde ihr garantiert die Kinnlade runterklappen. Gott sei Dank bin ich gerade so an der Volljährigkeit vorbei gerauscht und ihr somit keine Rechenschaft mehr schuldig. Nochmal Glück gehabt. (An alle Verbalakrobaten: Das mit dem Reiten war ernst gemeint! Und selbstverständlich spreche ich von Pferden! Was ihr schon wieder denkt …) (Aber wo wir schon dabei sind: Wusstet ihr eigentlich, dass reitende Männer lockerer in der Hüfte sind *debilgrins*… und nein, meine Müdigkeit hat rein gar nichts damit zu tun!)

4. Auto. Seit drei Jahren habe ich ein- und denselben Parkplatz, seit drei Jahren gibt es eine Stange zum Aufschließen, die mich von Fremdparkern schützen soll und ca. 30x im Jahr macht sich jemand den Spaß, die Stange aufzustellen und somit meinen Parkplatz unbefahrbar zu machen. Letztens komme ich wieder einmal nach Hause geheizt, fahre im 3. Gang wie immer mit einer gekonnten Leichtigkeit auf meinen Parkplatz, setze noch mein schönstes Siegerlächeln auf, als plötzlich ein ekliges, haareaufstellendes Geräusch unterhalb meines Autos ertönt und mir klar wurde, dass irgendwas, irgendwo da unten, jetzt einen Schaden hat. Ich spähe aus dem Auto, danke einem höheren Wesen eurer Wahl, dass sich keine schwarze Lache ausgebreitet hat und stelle dann mit Entsetzen fest, dass mein Auspuff eine seltsame Krümmung bekommen hat. Für einen Moment beschließe ich, meinem elenden Dasein einfach ein Ende zu bereiten und mich kurzerhand zu erschießen, doch wie immer scheitert solch ein Plan am Fehlen der entsprechenden Waffe, also bleibt mir gar nichts anderes übrig, als mein Auto nochmal anzuschmeißen um zu überprüfen, wie groß der Schaden ist. Drei Sekunden lang läuft der Motor, ich sitze mit regungsloser Mine im Auto, steige dann seelenruhig aus und laufe nach Hause um dort in Ruhe brüllen zu können, ohne viel Aufsehen zu erregen. Mein kleiner Clio klang wie ein großer - nein, nicht wie ein großer, sondern wie der Größte! Wüsste ich es nicht besser, hätte ich gedacht, dass Panzer durch die Straßen fahren. Und da kommt jetzt wieder die Sache mit den Männern ins Spiel. Gut, dass ich meinen Kollegen mittlerweile in- und auswendig kenne, denn ihm habe ich es zu verdanken, dass mein Auto innerhalb von drei Tagen mit einem neuen Auspuff ausgestattet wurde, weil der Alte nicht einmal mehr geschweißt werden konnte. Das sagt doch wieder nur eins! Genau. "Gescheite" Männer braucht die Welt. (Er ist wirklich gescheit! Echt jetzt!)

5. Schwindelgefühl. Die letzten zwei Wochen verbrachte ich im Delirium. Kreislaufprobleme noch und nöcher plagten mich und ich fragte mich allen Ernstes, ob irgendwas mit mir nicht stimmt oder ob die Müdigkeit überhand genommen hat und ich deswegen planlos durch die Gegend gondele. Eine erschreckende Benommenheit hatte mich erfasst, machte mich unfähig produktiv zu arbeiten und gab mir das Gefühl ständig auf Speed zu sein. Ich stand von morgens bis abends kurz vor der Ohnmacht, war permanent neben mir und befürchtete schon das Schlimmste. Ich wäre nicht ich, wenn ich meinen Freund Google nicht befragt hätte, jedoch mit mickrigen Ergebnissen. Parallel dazu hatte ich bestialische Zahnschmerzen, eigentlich waren es gar keine Zahnschmerzen, der Weisheitszahn unten rechts hatte lediglich den Wunsch weiter in meine Mundhöhle vorzudringen. Ich habe keine Ahnung, warum ich diese beiden Geschichten in Verbindung gebracht habe, jedenfalls befragte ich erneut Google und siehe da, ich bekam seitenweise Resultate angezeigt und las von Betroffenen, die von enormen Schwindelanfällen berichteten, auf Grund von Zahn- und Kieferproblemen. Das schien mir einleuchtend, schließlich tat mein ganzer rechter Unterkiefer weh und rein anatomisch befinden sich die Gleichgewichtsorgane nicht sonderlich weit davon entfernt. So war das also. Den Gang zum Zahnarzt konnte ich dennoch nicht wagen, ich hoffte stattdessen, dass sich die Probleme wie von selbst in Luft auflösen würden. Heute kann ich sagen, dass ich nicht mehr ganz so beknackt durch die Gegend laufe und sogar wieder das Gefühl habe, geschäftsfähig und bei vollem Bewusstsein zu sein. Wenn das kein Erfolg auf ganzer Ebene ist, was dann?

Sicherlich gab es noch viele viele andere Dinge, die sich in den letzten 358 Tagen ergeben haben, aber es würde jeglichen Rahmen sprengen diese aufzuzählen. Und letzten Endes spielen sie auch gar keine Rolle. Ich werde übrigens meinen Geburtstag nicht feiern, auch wenn ich es eigentlich vorhatte, weil ich in den vergangenen Jahren immer gefeiert habe. Dieses Jahr ist es einfach so, dass mir das gänzlich enfallen ist, weil ich gar keine Zeit für eine anständige Planung hatte! Und so wird der Weltaidstag bzw. mein Geburtstag über die Bühne gehen, als wäre es ein Tag wie jeder andere. Der einzige Unterschied wird vielleicht der sein, dass ich nur den halben Tag arbeiten und den Rest des Tages auf einem Pferderücken irgendwo auf einer Wiese verbringen werde. Idealerweise mit geröteten Wangen, einem breiten Grinsen und wehendem Haar.

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