29.05.2010

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Krieg und Frieden

I
Neulich, aber in Wirklichkeit erst vorhin, habe ich begriffen, dass ich nimmer malen kann. So wie früher. Du weißt schon, ich habe dir davon erzählt, aber ob du mir je geglaubt hast, weiß ich nicht.

Es ist ein seltsamer Abend und ich bin mir nicht sicher, warum ich ausgerechnet dich anspreche. Vielleicht weil ich es schon lange nicht mehr getan habe. Vielleicht vermisse ich es einfach. Ja, bestimmt. Die schöne heile Welt von früher, die mindestens genauso schmerzhaft war wie die heutige. Damals war Gott noch Schuld, heute finde ich keinen Schuldigen mehr.

Ich weiß, warum ich nicht malen kann. Ich habe das über die Jahre mitverfolgt. Schuld ist er und Schuld sind auch die anderen. Alle anderen, die irgendwann mal in mein Leben traten. Ich kann entweder malen oder mein Leben teilen. Aber beides zusammen geht nicht. Sie stehlen mir die Muse und meine Farben. Ich verbrachte nicht nur einen Abend mit ausdruckslosem Gesicht vor einem leeren Blatt...

II
Ich war übrigens zu Hause, als du letztens da warst, wenn auch im Bett. Ja, ich meine gerade dich. Du kannst nicht einfach vorbei kommen, nach so langer Zeit, mein Territorium betreten wollen als wäre nichts passiert. Denn es ist viel passiert. Da wäre eine neutrale Zone angebracht gewesen. Aber mir war irgendwie klar, dass du das nicht so sehen würdest. Das sind die kleinen Dinge, in denen wir verschieden waren, die aber so viel ausgemacht haben.

III
Manchmal hilft Musik. Heute nicht. Liegt vielleicht auch den stechenden Kopfschmerzen, die mich seit ein paar Stunden plagen. Und trotzdem ist der Drang da. Und die Fragen. Aber keine Antworten. Ich bin aus der Übung, weißt du. Und vielleicht will ich auch gar nicht mehr in Übung sein. Ich habe es satt, so satt. Ich denke, ich muss mich einfach damit abfinden, dass meine Blütezeit vorbei ist. Damals, ja, damals war ich in Bestform. Du hast sie mitbekommen. Heute kommen nur noch Nachwehen. Und immer farblosere Bilder mit Farben, die schneller verblassen als sie aufgetragen werden.

Ob ich glücklicher bin, wenn ich male? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich fühle mich vollständiger. Es ist ein Teil von mir, den ich die letzten Jahre ungewollt vernachlässigt habe. Und jetzt, da ich wieder malen könnte, rein theoretisch zumindest, kann ich es trotzdem nicht. Ich bin blind und stumm. Aber nicht taub. Ich nehme alles auf. Verarbeite die Informationen. Sie enthalten alle die gleiche Botschaft. Ich werde von Acryl auf Öl wechseln. Meine Bilder haben Wiederkennungswert. An sich eine gute Sache, aber mir gefällt sie nicht.

IV
Das Lied läuft in Endlosschleife. Ohne Erfolg. Heute wird kein kleines Kunstwerk entstehen, worüber ich mir in ein paar Jahren den Kopf zerbrechen müsste. Letztens habe ich mir meine alten Bilder angeschaut. Glaubst du, dass es einige gibt, die ich selbst nicht mehr deuten kann? Das tut weh. Dabei war ich mir sicher, dass ich sie so gemalt habe, dass ich auch nach Jahren wissen würde, was sie beinhalten. Ich habe den Inhalt so gut getarnt, dass ich ihn selbst nicht mehr entschlüsseln kann. Meine Erinnerungen so gut versteckt, dass ich sie nicht mehr finden kann. Ja, es tut weh. Sehr weh. Zum Glück nicht immer. Ein paar Fragmente sind nach wie vor da. Die schönsten. Und die schmerzhaftesten. Ich wollte irgendwann mal mit dir darüber reden. Es hat sich nie die Gelegenheit dafür ergeben. Jetzt ist es leider zu spät.

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