02.05.2010

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Warten auf Godot - Part I

Neulich hörte ich "Wonderful Life" von Black im Radio. Auch nach so vielen Jahren finde ich das Lied einfach nur genial. Es ist simpel, typisch 80er eben, aber hey, genau solche Lieder machen irgendwie glücklich und erinnern an die gute alte Zeit. Welche auch immer. Ich wollte ihn heiraten. Black natürlich. Ich habe sogar meine Mutter gefragt, ob sie damit einverstanden wäre, wenn ich so einen Mann heiraten würde. Was konnte sie schon dagegen sagen? So wie er im Musikivdeo zu sehen war, war er ein junger Gott. Elegant und geschmackvoll gekleidet, gut aussehend, charismatisch und singen kann er auch noch. Das sind richtige Männer. Dachte ich damals.

Viele Jahre sind seitdem vergangen. Ich habe nicht einmal ansatzweise so einen Mann kennen gelernt, geschweige denn ihn geheiratet. Liegt vielleicht auch daran, dass ich nicht eine Frau bin, die von so einem Mann geheiratet wird. Und außerdem weiß ich auch gar nicht, wo sich solche Männer herumtreiben. Und selbst wenn ich es wüsste, würde ich einen davon wirklich heiraten, nur weil ich vor 20 Jahren dachte, dass ich einen an meiner Seite haben will?

Ich schaue seit Neustem Vampirserien. In einer meiner Lieblingsserien gehören gleich zwei männliche Vampire zu den Protagonisten. Sie sind quasi Gut und Böse. Dunkelhaarig und Blond. Alle Welt steht auf den Blonden, wie ich zwischenzeitlich mitbekommen habe, weil er ja "sooooo sexy" ist (Hä?) und so unglaublich gut aussehend ist. Mag ja sein. Naja, er sieht wirklich gut aus, ist auch in meinem Alter und so. Aber er ist langweilig! Der andere... he is the man! Versteh gar nicht, warum die Millionen an weiblichen Zuschauern das nicht erkennen!?

Es hat eine Weile gedauert, bis ich kapiert habe, warum das so ist. Sie lasen die Bücher. Zur Serie. Und in den Büchern, wird der dunkelhaarige Vampir offenbar richtig mies. Er betrügt und belügt die Protagonistin – vieles davon passiert eher zufällig als er nicht er selbst war. Was der Andere getan hat, wird dabei meistens geflissentlich unter den Teppich gekehrt, weil der Andere, der Blonde, nämlich im Buch irgendwann die Frau bekommt. Nachdem sie sich von dem dunkelhaarigen und plötzlich mies gewordenem Vampir trennt. (Langweilige Story, ich weiß. Interessiert keine Sau). Ich bin ja eigentlich jemand, der sich nicht über Serien und Filme aufregt (meistens jedenfalls, aber als Robocop an einem Samstag Abend starb und kurze Zeit später auch noch Spock über den Jordan ging, hatte ich echt einen meiner miesesten TV-Abende), aber hier habe ich mich wirklich aufgeregt. Es ist nicht mehr möglich, auch nur ein Video, einen Kommentar, einen Forumsbeitrag oder ähnliches zu lesen, wo nicht alle lechzend den neuen Liebhaber in den Himmel loben, weil er ja sooo gut und soooo sexy ist. Ich fing an die Bücher zu lesen, man will ja schließlich wissen, was der Andere so Böses getan hat, dass die Protagonistin sich von ihm getrennt hat. Ich kam bis Band 4. Von ingesamt 9 Bänden. Danach habe ich aufgehört die Bücher zu lesen. Ich will das ganze Zeug eigentlich nicht wissen und stellte fest, dass ich ernsthafte Probleme bekam. Die Serie im TV hat bislang erst das 1. und 2. Buch ausgestrahlt. Glücklicherweise sind viele Dinge in der Serie anders als im Buch. Gott sei Dank. Und wo wir schon bei Gott sind: Ich hoffe, die Serie verfolgt die Bücher nicht allzu streng.

Als ich mir dieser Gedanken bewusst war, war mir plötzlich klar: Ich bin ein Junkie! Ich bin die Freaks in den Foren, bei den Kommentaren in Youtube und in diversen Blogs. Nur gehöre ich der Minderheit an, die den falschen Vampir toll findet. Verdammt. An der Haarfarbe konnte es natürlich schon liegen, aber ich denke, es liegt viel mehr daran, dass der charismatische Dunkelhaarige, der früher gut war und böse wird, mehr Ecken und Kanten hat als der Blonde, der böse war, sexy aussieht und dann plötzlich gut wird. Durch eine Amnesie. Ich meine Hallo? Amnesie!? Kommt schon Leute, was ist das für eine erbärmliche Scheiße?

Ich habe mich beim Lesen der Bücher so aufgeregt, dass ich es wirklich nicht geschafft habe, weiter zu lesen. Nicht nur, dass die Bücher im Vergleich zur Serie sowas von platt geschrieben sind, ausdruckslos, farblos, nein, sie erzählen auch aus der Ich-Perspektive (ist das der Grund, warum romantische Geschichten von Autorinnen immer nur weibliche Leser anziehen? Träumen die Autorinnen davon selbst die Protagonistin zu sein? Wie in Herrgotts Namen kann aus der Ich-Perspektive heraus auch nur ansatzweise ein anderer Charakter porträtiert werden, ohne dass telepatische Fähigkeiten und Hellseherei ins Spiel kommen?). Das schlimmste ist: Jeder, absolut jeder männliche Charakter im Buch ist der Protagonistin verfallen. Unnötig zu erwähnen, dass alle (!) weiblichen Fans der Serie die Bücher klasse, ja sogar besser als die Serie selbst finden. Ich nicht. Aber ich wollte ja auch Black heiraten, während meine Freundinnen damals von ganz anderen Kalibern geträumt haben. Nur mein mangelnder Wortschatz bezüglich der englischen Sprache hielt mich davon ab, mich auf der Stelle beim offiziellen Forum der Serie anzumelden und einen Streit vom Zaun zu brechen. Frau K. gegen den Rest der Welt. Frau K. gegen amerikanische Couchpotatos mit rosaroten Brillen, die auf blonde, durch Gedächtnisverlust geschlagene, von Böse zu Gut mutierte sexy Vampire stehen.

Ich beschloss weiterhin englische Bücher zu lesen (die besagte Buchreihe ist ebenfalls auf Englisch) um mich auf künftige englischsprachige Diskussionen vorzubereiten und verschwand im Bad um wenigstens etwas Sinnvolles zu tun. Ich putzte mein Bad. So richtig. Mit Fliesen, unter den Badezimmerschrank kriechen, Ecken auswischen, Duschkabine schrubben. Ich hasse Putzen. Aber Putzen ist das Beste, wenn man sich aufregt. Es sei denn, man putzt die Duschkabine. Das hasse ich noch mehr als Putzen selbst. Fluchend und schimpfend zog ich meine Hose und meine Socken aus und stieg in Sweatshirt, Unterhose und blauen Gummihandschuhen bewaffnet mit Putzmittel und Schwamm in meine Dusche, um die verdammte Kabine von Kalk zu befreien in der Hoffnung, ich würde die Dämpfe von Antikal und Co. in einem 1x1 Raum überleben. Beim Putzen hat man viel Zeit zum Denken. Ich dachte über Blond und Dunkelbraun nach, über Gut und Böse und darüber ob ich Lücken in meinen Unterlagen hatte und die Serie erneut schauen sollte. Vielleicht war mir ein wichtiges Detail entgangen? Vielleicht wollte der Regisseur, dass ich den Dunkelhaarigen besser als den Blonden finde, damit mich dann der Betrug und sein Abgrund, der sich – laut den Büchern - in der bald kommenden dritten Staffel auftun würde, besser aus den Socken haut? Wie viel Ehrlichkeit kann man von einem Schauspieler erwarten? Und was nutzt einem Menschenkenntnis bei einem fiktiven Charakter, der vom besagten Schauspieler dargestellt wird? Der bekommt Geld dafür, dass ich den Fernseher einschalte um die Serie zu verfolgen und dass ich mich in den englischen Foren mit allen anlegen will, die gegen seinen Charakter wettern. (Zum Glück hat er die Frau trotzdem. Er mag sie vielleicht in der Serie verlieren, aber im echten Leben ist er mit ihr verlobt. Sie wusste schon, warum sie ihn nahm und nicht den Blonden. *nick*)

Wo ich schon so gut in Fahrt war, putzte ich meine Wohnung weiter. Jedes Zimmer, gründlich, so gründlich wie man eigentlich sonst nur im Urlaub Zeit hat. Mit Fenster putzen, Gardinen waschen, Möbel vorschieben und dahinter saugen und wischen und dem ganzen anderen verdammten Kram der dazu gehört. Irgendwann endet sowas immer bei meinem PC. Und meinem Schreibtisch bzw. dem Saustall darauf. Ach, wenn ich schon dabei bin, kann ich ja auch gleich hier und dort ein wenig rumschrauben … Sieben Tage lang lagen Staubsauger, Wischmopp, Lappen und diverse Putzmittel in meiner Wohnung im Flur, bis ich endlich fertig war. Mit der Wohnung und mit mir selbst. Zwischendrin ärgerte ich mich weiterhin über Blond und Dunkelbraun, über die Schrauben an einem der PC-Lüfter, die eine gewisse Person viel zu fest angezogen hatte, so dass ich sie nicht mehr aufdrehen konnte, und ich mit Zange und allen weiteren Werkzeugen, deren Verwendung mir teilweise nicht einmal bekannt war mit Gewalt das Ding aus dem PC-Gehäuse gerissen habe. Ich ärgerte mich auch über die Werkzeugsammlung in meinem Schlafzimmer, die ich am liebsten kurzerhand einfach aus dem Fenster geworfen hätte und über viele andere Dinge. Kurz gesagt: Ich ärgerte mich über alles und jeden und putzte meine Wut aus mir heraus.

(Liebe Männer: Falls eure bessere Hälfte überdurchschnittlich viel Zeit mit dem Putzen verbringt, solltet ihr euch ernsthafte Gedanken um sie und vor allem um euch selbst machen! Das ist kein gutes Zeichen! Nein, ist es nicht.)

Zwischen meinen Putzorgien, in meinen Raucherpausen, verfolgte ich diverse (Stamm)Foren mit, auch einige englischsprachige und regte mich erneut auf, nur um diesen Ärger bei der nächsten Putzwelle aus mir heraus zu lassen. Irgendwann fragte ich mich, ob es möglich war, dass ich in allem eine andere Meinung hatte, als die vermeintliche Mehrheit, die sich in diesen besagten Foren herum trieb, somit die pauschale Mehrheit in dieser kleinen Welt und möglicherweise auch in der großen, richtigen. Ja, es war möglich. Sind sie die Freaks oder bin ich es? Ich fand keine Antwort auf meine Frage, also putzte ich weiter. Und doch beschäftigte mich dieses Thema. Und da fiel mir wieder die wichtigste Frage überhaupt ein: Wo stehe ich eigentlich? Seltsamerweise könnte ich diese Frage mit vielen Antworten beantworten. Mit guten, mit schlechten, mit neutralen. Aber welche Antwort die wahre ist, das kann ich nicht sagen. Vielleicht sind sie allesamt wahr.

» Part II

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