13.06.2010

0
Der Tag an dem ich Gott umbrachte - Part IV

Kairo war eine Stadt, welche sich als eines der weltweit größten Zentren für Kriminalität herausstellte. Vom Hobbydieb bis hin zum professionellen Auftragskiller konnte man hier alles finden. Ich war nicht mal überrascht, dass man unter der Ladentheke Annoncenblätter kaufen konnte, welche sich ausschließlich dem kriminellen Markt widmeten. Mit Interesse erwarb ich eines dieser Exemplare, welches den Titel "Gangstas Paradise" trug, und kam mir dabei seltsam verrucht vor. Ich war angenehm überrascht, als ich im Hotelzimmer einen ersten Blick hinein warf und feststellte, dass es nicht nur auf Englisch war, sondern dass das Anzeigenangebot sehr vielfältig war. "10 kg C2-Sprengstoff wegen Inhaftierung in gute Hände abzugeben" stand genauso auf der Tagesordnung wie "Scharfschütze sucht neuen Wirkungskreis auf 400 £E Basis" oder "Kugelsichere Weste wegen Todesfall zu verkaufen. Nur einmal benutzt."

Hier war ich zweifelsohne an der richtigen Adresse, dachte ich zufrieden und klopfte mir in Gedanken auf die Schulter. Schon Morgen würde ich selbst ein Inserat aufgeben und nach Satans Anhängern und seinem Stellvertreter suchen. Der Erfolg würde auf meiner Seite sein. Dessen war ich mir sicher. Ich fragte mich jedoch, ob es sinnvoll wäre, auch noch anderweitig die Aufmerksamkeit von Satans Stellvertreter auf sich zu ziehen. Ein Plan B war schließlich nie schlecht, daher inspizierte ich am nächsten Abend sämtliche Friedhöfe, in der Hoffnung, dort auf Sekten ähnlich denen in Deutschland anzutreffen. Nachdem ich jedoch auch in der dritten Nacht keinerlei verdächtige Aktivitäten feststellen konnte, gab ich die nächtlichen Patrouillen auf. Erst am nächsten Morgen ging mir beim Frühstück ein Licht auf. Ich hatte meine Suche nach den Satanisten völlig falsch begonnen! Was für uns in Deutschland der Friedhof war, war hier in Kairo die Pyramide. Wie hatte ich das nur vergessen können? In meiner Euphorie meldete ich mich auf der Stelle für eine Sightseeing-Tour der Pyramiden von Gizeh an. Als Tourist konnte ich mich vorerst heimlich vor Ort begeben und dann in der Nacht die Lage näher erkunden. Mit Schlapphut, Sonnenbrille und Safarihemd ausgerüstet, bestieg ich kurze Zeit später das Kamel was mir zugeteilt wurde und ritt meinem Verderben entgegen.

Die Führung durch die Pyramiden war zwar recht nett, ging aber für meinen Geschmack zu wenig ins Detail. Mich interessierte vor allem welche Kammern für die Satanisten von Interesse sein würden, doch darüber verlor der Touristenführer kein Wort. Auf der anderen Seite war die Luft mehr schlecht als recht und ich hatte schon sichtliche Schwierigkeiten in den schmalen Gängen überhaupt noch zu Atem zu kommen. Den anderen Touristen ging es offenbar ähnlich. Wir hatten gerade die Cheops-Pyramide betreten und zwängten uns durch den schmalen Korridor zum Inneren des Grabmals, als eine ältere Frau vor mir über Atemnot klagte und kurze Zeit später ohnmächtig wurde. Da der Gang schmal war, war ein Fallen zur Seite ausgeschlossen. Und so fiel sie üblicherweise nach hinten, mit ihr ihr Hintermann und mit diesem auch dessen Hintermann. Ich versuchte meinem Schicksal auszuweichen und zwängte mich an die Wand links von mir. Dabei muss ich wohl eine Art Schalter betätigt haben, denn urplötzlich gab die Wand nach und ich fiel in die Tiefe, landete unsanft und verlor schließlich das Bewusstsein.

Als ich später wieder zu mir kam, versuchte ich das Geschehene zu begreifen. Entweder hatte der Touristenführer keine Ahnung von diesem geheimen Schalter oder aber er verschwieg ihn bewusst und verbarg somit etwas. Die zweite Variante erschien mir logischer. Ich hatte leider keine Taschenlampe dabei und hatte somit ernsthafte Schwierigkeiten zu erkennen wo ich mich überhaupt befand und vor allem wie ich diesen Ort wieder verlassen konnte. Ich konnte die Touristengruppe darüber hinaus nicht hören, was entweder daran lag, dass ich zu weit von ihr entfernt war oder sie schon längst die Pyramide verlassen hatte. Wer weiß, wie lange ich hier gelegen hatte.

Ich rappelte mich auf und war gottfroh, dass ich noch alle Gliedmaßen bewegen konnte. Im Dunklen tastete ich nach meinem Schlapphut, der mir vielleicht doch noch irgendwann gute Dienste leisten konnte, als ich etwas zwischen meine Finger bekam, was sich ganz und gar nicht wie ein Hut anfühlte. Im Gegenteil, es war etwas aus Metall, ein Anhänger vielleicht, mit einer Kette daran. Ich wollte den Gegenstand aufheben, aber etwas hinderte mich daran. Etwas Schweres. Ich gab nicht nach und zog mit aller Kraft an dem Gegenstand. Es knackste einmal kräftig in der Dunkelheit und dann landete ich auf meinem Hosenboden. Mit beiden Händen tastete ich den Anhänger ab, den ich soeben von irgendetwas befreit hatte. Ich hatte Recht mit meiner Vermutung. Es war eine Kette, wenn auch eine recht kurze, vermutlich ein Armband. In ihr hatte sich offenbar irgendein Stock verheddert, den ich nun von der Kette löste und achtlos zur Seite warf. Der Anhänger war klein, meinem Tastsinn nach handelte es sich um ein Kreuz, was mich zugegebenermaßen erstaunte. Wie kam ein Kreuzanhänger an einem Armband in die Cheops-Pyramide? Und warum wuchsen hier Bäume?

Wo Bäume sind, muss auch Leben sein, dachte ich und begab mich blind auf die Suche nach einem Ausgang. Recht schnell verfluchte ich mein Schuhwerk, welches nun einmal nicht für Geröll und holprige Wege geeignet war. Nach einer gefühlten halben Ewigkeit ging plötzlich das Licht an. Zuerst dachte ich, es wäre die Sonne - doch seit wann schien in Pyramiden die Sonne? Ich hatte Schwierigkeiten mich an die Helligkeit zu gewöhnen, doch als ich endlich klar sehen konnte, wurde mir bewusst, dass es Elektrizität war, die den Raum erhellt hatte. Ich staunte nicht schlecht. Die alten Ägypter wussten mehr über Strom als uns je bekannt war!

Ein paar Schritte von mir entfernt entdeckte ich meinen Schlapphut, was mir doch etwas seltsam vorkam. Ich war eine ganze Weile unterwegs gewesen und entdecke dann meinen Hut quasi neben mir? Nichtsdestotrotz freute ich mich ihn wieder gefunden zu haben. Ich wollte ihn gerade aufheben, als mein Blick auf den Stock fiel, in dem die Kette festhing, die ich vorhin gefunden hatte.  Der Stock sah gar nicht aus wie ein Stock, doch was konnte man von Bäumen erwarten, die hier in dieser unwirklichen Gegend wuchsen und auch überlebten? Als ich meinen Hut aufgesetzt hatte, machte ich mich mit meiner Umgebung vertraut und schaute mich etwas um. Die Wände des Raumes waren hauptsächlich kahl, hier und dort hingen irgendwelche Apparaturen, die ich nicht kannte. Möglicherweise handelte es sich hierbei um irgendwelche geheimen Erfindungen der alten Ägypter. Der Raum hatte eine leicht rundliche Form, was wiederum erklärte, warum ich meinen Hut fast an der Stelle fand, von der ich losgezogen war. Ich war die ganze Zeit im Kreis gelaufen.

Von der Decke des Raumes hing ein kitschiger Kronleuchter, der mir seit ein paar Minuten Licht beschwerte. Wann und wie hier Stromleitungen verlegt wurden, würde ich wohl nie erfahren. Der Boden war voll mit Steinen und Stöcken - wenngleich von den Bäumen noch immer jede Spur fehlte. Mir fiel die Kette wieder ein, die ich noch immer in der Hand hielt. Etwas war in den Anhänger eingraviert worden, doch ich konnte es nicht entziffern. Vermutlich handelte sich um ein männliches Armband, den ein Armband für eine Frau wäre wohl wesentlich filigraner verarbeitet worden. Ich steckte das Armband in meine Hosentasche und beschloss mich später darum zu kümmern. Zuerst musste ich erfahren, wo ich war und wer das Licht eingeschaltet hatte. Und vor allem wollte ich endlich den Ausgang finden und diesen Raum verlassen.

Ich wollte mich gerade auf die Socken machen, als sich eine der Wände plötzlich wie von selbst teilte und der Touristenführer erschien. Ich war sichtlich erleichtert ihn zu sehen, wenngleich seine Führung wirklich miserabel war. Aber seit meinem Sturz war er das erste Lebewesen, was mir begegnete, also wollte ich es nicht gleich vermasseln. Ich lächelte ihn an und wollte mich für die Rettung bedanken, doch er war schneller. Seine Lippen verzogen sich zu einem gehässigen Grinsen, ein Goldzahn blitzte in seinem schäbigen Gesicht auf und plötzlich kam mir der Gedanke, dass er irgendwie wusste, warum ich mich da befand, wo ich mich nun einmal befand. Das alles konnte kein Zufall sein! Vielleicht war er der Mann, den ich gesucht hatte? Vielleicht hielt er Satans Stellung, solange dieser im Gefängnis saß? Der Mann sagte etwas auf Arabisch und wie aus dem Nichts tauchten ein paar andere Männer in schwarzen Roben und mit Turbanen auf. Die Satanisten! Ich hatte sie tatsächlich gefunden!

Erleichtert, dass meine Suche nach Satans Anhängern nun beendet war, wollte ich schon ein Loblied anstimmen, als sich plötzlich die Männer zu meiner Linken und Rechten aufbauten und meine Hände fesselten. Ich wollte protestieren, doch kurze Zeit später wurde ich auch noch geknebelt und somit mundtot gemacht. Sie zerrten mich unsanft zu einer der Apparaturen, die hier und dort an den Wänden des Raumes hingen. Plötzlich dämmerte mir, was das für Gerätschaften waren. Ich blickte ängstlich um mich und erkannte, dass das gar keine Steine und Stöcke waren, die auf dem Boden des Raumes verteilt lagen, sondern menschliche Knochen. Offenbar gingen die Ägypter einen Schritt weiter und hielten sich mit Kleinigkeiten wie der Opferung eines Kalbes erst gar nicht auf. Stattdessen opferten sie für Satan lebende Menschen und bei Gott, ich sollte das nächste Opfer sein!

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Du hast was zu sagen? Her damit! :)